In meinem Blog "Annettes-Schreibzeug" erzähle ich Geschichten von Menschen, von Ereignissen und sammle besondere Momente.
Ich freue mich, euch Lori vorstellen zu dürfen. Sie ist als Gast ins Schreibzeug eingezogen und wird uns im „Lori Journal“ an ihren Gedanken teilhaben
lassen.
10.08.2024
liebste Freundin. Wenn es so ist, dass einem Menschen die Ohren klingeln, wenn jemand an sie denkt, müsste ein Dauerklingeln durch deine Ohren gezogen sein, so oft, wie ich an dich gedacht habe.
Gestern bin ich aus der Zeit gefallen, ganz leicht und ganz einfach. Mit lautem Knall habe ich die Tür meines Schneckenhauses zugeworfen und bin losgegangen. Bin zu unserem Ort gefahren, unserem Kraft-Ort. Erinnerst du dich? Das Labyrinth, ganz hoch oben in den Weinbergen, von Windrädern umweht. Ich hatte diesen Ort ganz vergessen, vergessen in all dem Mühen und dem Finden-wollen von Unsichtbarem.
Es war heiß, als ich den Weg durch die Weinberge nahm und schweißnass die Bergkuppe erreichte. Schon von weitem erkannte ich die Skulptur der Windfahne und die, des Auges. Die Stille dort war heilsam, nur das eigene Rauschen im Ohr und das des Windes war zu hören.
Dann lag es vor mir. Mit buckeligen Steinen in runden Windungen angeordnet, erstrecke es ich über den Hügel. Es wirkte weniger spektakulär, als ich es in Erinnerung hatte.
Ich ging hinein, ohne Erwartungen, einfach Schritt für Schritt, glaubte vor Überraschungen sicher zu sein. Doch das Labyrinth entfaltete seine Kraft im Gehen, kaum, dass ich eingetreten war.
Wie damals. Erinnerst du dich, wie aufgekratzt wir uns gegenseitig unsere Eindrücke erzählt haben. Damals waren wir uns und unserer eigenen Mitte so nah.
Auch diesmal geschah es. Auch diesmal glaubte ich mich schon fast in der Mitte angekommen, als mich eine weitere Schleife des Labyrinths wieder ganz nach außen trug, um mich dann, eine Biegung später, direkt in die Mitte zu führen.
Grandios, wie das Labyrinth mir meinen Mäandergang der letzten Monate vor Augen führte. Ich hatte geglaubt meiner Mitte schon so nah zu sein, mich gut zu kennen. Doch die letzten Monate haben mich dünnhäutig gemacht, mir meine Ruhe genommen. Ich wollte und musste einen Teil von mir neu erfinden. Vertraute Stützen des Alltages waren nutzlos geworden, lagen wie abgestreifte Haut in meinem Reptilienbau. Ich war aus meiner Mitte geraten, suchte sie vergeblich an alter Stelle und unternahm alles, um dort wieder hin zu kommen. Was für ein Irrtum.
Das Labyrinth zeigte mir, dass es galt weiter zu gehen, dem Weg zu vertrauen, nicht am Alten, Bekannten festhalten zu wollen. Weitergehen, mit Zuversicht Neues annehmen, den Mut haben, sich vom Gang des Lebens ganz nach außen tragen zu lassen, um dann in der Mitte anzukommen.
Du hast meine Scheuklappen auf den Augen sicher schon lange gesehen, hast versucht sie mir ein wenig zu lockern, doch vergeblich.
Ich glaube, dass es die Erfahrung im Körper gebraucht hat, erst dann konnte das Denken folgen. Das Wissen des Körpers, ein Geschenk der Biologie.
Ach meine liebe Jo, du fehlst mir. Wie gern wäre ich mit dir durch das Labyrinth gelaufen. Jede für sich, jede auf ihrem Weg und doch zusammen.
Seit gestern hat mein Schneckenhaus helle Fenster bekommen und die Tür steht nun immer offen.
Falls du in den nächsten Tagen ein leises Klingen im Ohr vernimmst, dann weißt du, dass ich gerade in Gedanken bei dir bin.
Bis bald meine liebe Jo, mögen die 1000 Kilometer zwischen uns den beigefügten Kuss und die Umarmung heil überstehen.
Deine Lorie
Admin - 23:15 @ | Kommentar hinzufügen
Über mich
Sozialpädagogin
Systemische Beraterin und Systemische Kinder-und Jugendtherapeutin
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