Schreib Blog "Annettes Schreibzeug"
Kurzgeschichten über kuriose-, besondere- und ganz normale Menschen wie du und ich.

In meinem Blog "Annettes-Schreibzeug" erzähle ich Geschichten von Menschen, von Ereignissen, sammle besondere Momente und nehme Bezug auf aktuelle Themen der Zeit..
Ich freue mich, euch Lori vorstellen zu dürfen. Sie ist als Gast ins Schreibzeug eingezogen und wird uns im „Lori Journal“ an ihren Gedanken teilhaben
lass
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Neuigkeiten im Schreibzeug

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02.02.2025, 13:12

#Demokratieschützen

Schreiben für Demokratie. Schreiben gegen die Ohnmacht, sich einmischen, sich zeigen. Es ist Zeit   mehr


14.01.2025, 18:53

Cora Coralina. Dichterin und Bäckerin

Brasiliens große Dichterin, die erst mit 60 Jahren den Schritt in die Öffentlichkeit ging. Sie finanzierte sich mit dem Backen kleiner, köstlicher Küchlein.    mehr




18.12.2024

Denken-Schreiben und Gestalten Eine Anthologie, Aphorismen und was sie für uns bedeuten, herausgegeben von Hans-Gerog Schröder

Buch.jpgDenken-

Schreiben und 

Gestalten 

Eine Anthologie

Aphorismen 

und was sie für uns bedeuten

herausgegeben von Hans-Gerog Schröder

Ich war dabei. Mit einem Aphorismus von Mahatma Ghandi “Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünscht für diese Welt” (hier im Blog Das Tun des Einzelnen) habe ich mich an dem Schreibprojekt beteiligen dürfen.
Puzzle.jpgIch freu mich über das wunderschön gestaltete Buch mit Beiträgen von Menschen, die sich mit Gedanken bekannter und auch weniger bekannter Frauen und Männer auseinandergesetzt haben. So entstanden Texte, Collagen, Bilder, Zeichnungen zu Aphorismen, die die eigene Sicht der Dinge in Bezug auf die Assage der “Vordenker:innen” aufs Papier gebracht haben. 

Radfahrer.jpgKunst.jpg

Oder so, wie es der Herausgeber Hans Georg Schröder beschreibt:

 …”war es das Ziel, durch die gemeinsame Beschäftigung mit kurzen Sinnsprüchen und Aphorismen unterschiedlicher Autorinnen und Autoren wieder über Haltungen und Überzeugungen in diesen Zeiten massiver Veränderungen nachzudenken und zu schreibend und auch gestaltend Stellung zu beziehen”.
Hund.jpg
…”Auch deswegen, weil die Zeiten weiterhin nicht einfach sind, ist es umso wichtiger, dass man im Gespräch bleibt und sich mit unterschiedlichen Positionen und Sichtweisen im Diskurs auseinandersetzt”. (Vorwort, Denken-Schreiben und Gestalten, S.10)
Ein kleiner Teaser, ein Vorgeschmack auf das Buch.

Admin - 02:56 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

19.11.2024

As it is. So, wie es ist

FADEN[1].jpgLories Gedanken über den „Roten Faden“ in ihrem Leben.

As it is. So, wie es ist

Da ist ein roter Faden, dem du folgst.
Er führt durch die Dinge, die sich verändern.
Aber er selbst verändert sich nicht……

William Stafford

Ist da wirklich ein roter Faden in meinem Leben? Einer, der mir Halt gibt, der mir den Weg weist, der mich nicht verrät oder mich aufs Glatteis führt?

Viele Jahre fühlte ich nicht das geringste Stückchen Faden in mir, der mir einen Hinweis hätte geben können, wer ich bin und wohin es mit mir gehen soll. Was ich fühlte war ein Knäuel, verwickelt, verfilzt, ohne Anfang und Ende und allermeist hielt es sich betonschwer in meiner Magengegend auf. Wenn es wenigstens nur ein einziger  Faden gewesen wäre, den es galt zu entwirren. Doch es waren so viele Fäden, so viele Bilder, Ideen, Wünsche und Träume, die gelähmt in diesem Bündel feststeckten.dnner Faden.jpg

Um mich herum schienen alle ihren Faden fest in der Hand zu halten, als müssten sie nur daran ziehen, um ihm folgen zu können.

Mit 14 schmiss ich mich mehrmals wöchentlich auf meine blau gestreifte Couch, wenn ich aus der Schule kam. Mit dem brennenden Gefühl nicht richtig für diese Welt zu sein, drückte ich mein verweintes Gesicht in die Kissen. Zuviel Wut, zu wenig weibliche Angepasstheit, zuviel Widerstand, zu wenige Freundinnen, deren Seelenverwandtschaft mich hätte richtig fühlen lassen.

Wenn mich mein „ich schmeiß mich auf die Couch“ Tag in der Mittagspause meines Vaters erwischte, hatte ich Glück. Meist reichte seine Zeit nur für ein schnelles Essen und für  einen Blick in die Zeitung. Doch er setzte sich zu mir, strich mir über den Kopf  und schwieg. Ich war ihm dankbar für sein Schweigen. Hätte er gefragt, was los sei, hätte ich keine Worte gehabt, die meinen tobenden, überschwappenden Schmerz hätten beschreiben können.

Er schwieg einfach und strich mir liebevoll über den Kopf. Sein Schweigen gab mir die Sicherheit, nicht allein auf der Welt zu sein. Dass es mindesten einen Menschen gab, für den ich richtig war und dem die Suche nach sich selbst und dem ungewissen Weg dorthin, nicht fremd zu sein schien.
Mit einem kleinen Knuff an den Oberarm und einem letzten Streicheln des Kopfes verabschiedet er sich und ließ die Zimmertür beim Rausgehen angelehnt.

Langsam konnte ich aus den Bauch-Stürmen auftauchen und in die Gegenwart meiner blau gestreiften Couch zurückkehren.

Es hat noch viele Jahre gedauert, bis sich das Knäuel in mir langsam entwirrte. Getragen hat mich die Gewissheit, mindesten einen Menschen zu kennen, für den ich richtig war. Einen Faden, den ich nie mehr losließ.

Schreibimpuls

Admin - 23:17 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

16.11.2024

#DasTunDesEinzelnen

helmk.jpg„Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt“. Dieser Satz von Mahatma Ghandi begleitet mich seit meiner Jugend. Als junge Frau, mit grauen Wildleder-Boots und Parker stand ich in den 80iger Jahren im Bonner-Hofgarten und war mir sicher, ein Teil einer Veränderung zu sein, die Frieden in die Welt bringen kann.

Der Wunsch nach dauerhaftem Frieden, nach Freiheit und Sicherheit brachte damals tausende von Menschen in der Friedensbewegung auf die Straße.

Was lässt Menschen aufstehen, die Welt verändern zu wollen, manchmal sogar wenn sie Sorge um Leib und Leben haben müssen? Was lässt den Glauben entstehen, die Welt sei veränderbar durch das eigene Tun? Durch das Tun eines einzelnen Menschen. Woher kommen der Mut und der Wille dazu? Ist es Zorn, Ungerechtigkeit, Unfreiheit, Ausweglosigkeit, Armut, Angst, Willkür…..?

Ich habe keine Antworten auf diese Fragen. Doch, dass es diese Menschen gab, gibt und hoffentlich weiter geben wird ist notwendig. Mahatma Ghandi war einer von ihnen.
Ghandi hält uns den Spiegel vor, für die Gestaltung unserer Welt mitverantwortlich zu sein. Es ist der Appell, die  Komfortzone zu verlassen, nicht im Klagen, Schimpfen und  im Klein-Klein der eigenen Bedürfnisse  zu verharren, sondern aufzustehen und zu handeln. Mann mit Schirm.jpgDas können auch kleine Schritte sein. Ich kann 

meinen Konsum überdenken und einschränken, 

keine Erdbeeren im Januar essen, 

kann die Vielfalt in deutschen Vorgärten steigern, 

kann entscheiden, wieviel Vielfalt ich bei Meinungsäußerungen anderer respektieren möchte, 

kann meine Haltung zeigen, wenn Menschen Hass und Hetze verbreiten. 

Ich kann Fremden freundlich begegnen und mein Herz für Neues öffnen. 

Das ist Auftrag und Chance zugleich.Blumek.jpg
Doch all das braucht den Glauben, dass es sich lohnt, immer wieder den Stein des Sisyphos den Berg hinauf zu rollen, verbunden mit der Hoffnung, etwas wirklich verändern zu können.

In diesem Zusammenhang hat mich der letzte Satz des Buches „Annette, ein Heldinnen-Epos“ von Anne Weber sehr berührt. Das Buch erzählt die Geschichte von Anne Beaumanoir, einer vergessenen Heldin des letzten Jahrhunderts.

iner Freiheitskämpferin in der Résistance gegen die deutsche Besatzung und im Algerienkrieg gegen die Franzosen, eine Gerechte unter den Völkern in  Jad Vashem, Ärztin und  Mutter von drei Kindern. Sie opferte dem Kampf gegen die Unterdrückung fast alles und hatte am Ende ihres Lebens viel verloren.

Anne Weber schließt ihr Buch über das Leben von Anne Beaumanoir mit Worten von Camus:

«Der Kampf, das andauernde Plagen und Bemühen hin zu großen Höhen, reicht aus, ein Menschenherz zu füllen. Weshalb wir uns Sisyphos am besten glücklich vorstellen.»

Albert Camus: Der Mythos des Sisyphos

Annette, ein Heldinnenepos, Anne Weber

Admin - 09:27 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

10.11.2024

Gespräch mit meinem inneren Schweinehund

schweinehund2.jpgHallo, ich bin Lori und erzähle im „Lori Journal“ von meinen Gedanken über mich und die Welt. Heute erzähle ich von einem Gespräch mit meinem inneren Schweinehund. 

Ich: Wie kann es sein, dass du hier so faul rumliegst und gemütlich an einem Knochen leckst? Ich finde auch, dass du ganz schön zugelegt hast.

Schweinehund: Was soll ich sagen, ich habe seit einiger Zeit keine Aufträge mehr.

Ich: Wie keine Aufträge mehr? Aufträge mehr von wem, von mir?

Schweinehund: Ja, auch von dir habe ich keine Aufträge mehr. Du lässt mich in Ruhe und das schon seit einiger Zeit. Jahrelang hast du versucht, mich an die Kette zu legen. Hast mit mir gekämpft, mich geschubst und angeschrien. Du wolltest mich besiegen, hattest so viel in deinem Kopf, was du erreichen wolltest.
Täglich musste ich mit meiner Kette rasseln, bellen, die Zähne fletschen, dir sagen, dass  alles keinen Sinn macht, oder unmöglich für dich zu erreichen ist. Wenn das nicht half, flüsterte ich dir die süßen Worte ins Ohr: „Mach alles so wie immer, das ist gut“. Dann hast du mich endlich los gemacht und ich habe dir vor Freude durchs Gesicht geleckt.

Ich: Du hast mir das Leben schwer gemacht. Ich hatte Ziele, wollte etwas erreichen, wollte schlank sein, mutig, klug. Wenn du mir ins Ohr gesäuselt hast, wusstest du genau, was du sagen musst, damit ich aufgebe. Wenn du mir dann durch das Gesicht geleckt hast, ging es mir schlecht. Ich fühlte Scheitern und Versagen in mir. Wieder mein Ziel nicht erreicht.

Schweinehund: Deine Ziele. Wenn ich das schon höre. Waren es wirklich  DEINE Ziele, die du erreichen wolltest? Oft waren es Ziele,  sein zu wollen, wie du geglaubt hast, sein zu müssen. Manchmal habe ich dann einfach mal die Bremse rein gehauen.

Ich: Ach was. Du hast mich gehindert. Ich könnte heute ganz wo anders sein, wenn du mir das Leben nicht so schwer gemacht hättest.

Schweinehund:  Ich habe dich manchmal vor dir selbst geschützt, dich gezwungen über dich nachzudenken. Ich habe dir Kraft abverlangt, mich zu überwinden. Habe dich wachsen lassen, wenn du stärker warst als ich.Fahrrad klein 2MB.jpg
Ich: Du hast mir Selbstzweifel, Frust und Resignation beschert. Von wegen „wachsen lassen“.
 
Schweinehund: Du hast Nichts verstanden. Warum glaubst du, kann ich heute hier in Ruhe liegen und mich an meinem Knochen erfreuen?

Ich: Weil du alt geworden bist, dich nicht mehr anstrengen willst. Du bist dein eigener Schweinehund geworden!

Schweinehund: Ich seh´schon, du hast wirklich Nichts verstanden. Ich kann hier liegen, weil du inzwischen begriffen hast, was für dich wichtig ist und du keinen schwachsinnigen Zielen mehr hinterherrennst. Ziele, die nichts mit dir zu tun haben.
Du tust Dinge, die DU tun willst und musst mich dafür nicht mehr an die Kette legen. Wir Zwei haben  Frieden gemacht. Deswegen habe ich meine Ruhe.

Ich: Ja, das stimmt. Zwischen uns ist Frieden. Und, was machst du jetzt? Wessen Schweinehund bist du nun geworden?

Schweinehund:  Ich habe aufgegeben. Ich belle und flüstere nicht mehr, rassle auch nicht mehr mit meiner Kette. Zeiten ändern sich. Inzwischen habe ich lukrative Verträge mit „TikTok“, „Instagram“ und der Nahrungsmittelindustrie. Sie zahlen sehr gut für mein Schweigen. 

Admin - 02:46 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

21.09.2024

Lori Journal: Was kostet Mut? #WasKostetMut?

Brcke.jpgHallo, ich bin Lori und ich freue mich, hier zu Gast sein zu dürfen. Mich gibt es nicht wirklich und doch bin ich Realität. Du kennst mich nicht und doch wirst du Teile von mir in dir erkennen. Mal bin ich alt, mal bin ich jung, mal klug, mal wütend, manchmal banal und ich schreibe. Ich schreibe das „Lori Journal“ und nehme euch mit auf meine Reise, wenn ihr mögt.

Heute geht es in meinem Journal um Mut und was er kostet.
Mut ist für mich Autonomie. Mich als Wesen der Freiheit zu erkennen, das die Fähigkeit besitzt den klebrigen Faden der Angst und Bequemlichkeit zerreißen zu können, mit dem ich täglich mein Sicherheitsnetz webe.
Mut ist für mich auch die Fähigkeit, dem inneren Kompass zu vertrauen und ihm zu folgen, wenn das Begehren danach stark ist.

Es geht um die Bewältigung und die Überwindung von Angst. Sie auszuhalten, sie zu relativieren, sie in ihre tatsächliche Größe einzuordnen.

Oft ist es die Angst vor Enttäuschung, Wertlosigkeit, die Angst vor Veränderung, vor Mangel oder Verletzungen, die uns daran hindert mutig zu sein.Die Angst Allein zu sein, verlassen zu werden, verloren zu gehen. Soviel Angst steht dem kleinen Wort „Mut“ gegenüber. Und dieses kleine Wörtchen „Mut“, kann all die Angst besiegen.

Für mich ist Mut ein positiv besetztes Wort. Verbunden mit Wachstum, Selbstwirksamkeit und dem wundervollen, warm rieselnden Gefühl im Rücken, wenn ich mutig war. Wenn ich zu meiner Meinung gestanden habe, für ein ehrliches Wort mögliche Harmonieeinbußen in Kauf nahm, sichtbar wurde und mein Selbst nicht verraten habe.

Doch was ist mit dem Mut, den Menschen für sich in Anspruch nehmen, wenn sie sich menschenfeindlich, antifeministisch oder rassistisch äußern? Wenn sich  Menschen wie Freiheitkämpfer: innen fühlen, wenn sie sich trauen diese Meinung öffentlich oder auch an Familienfeiern zu vertreten.

Menschen, mit denen ich auf Dorffesten zusammen auf der Bierbank sitze und die sich im Gespräch zu den Werten der AFD bekennen. Bevor sie dies tun, sehe ich oft ein kurzes Zucken in ihrem Blick. Ein Zucken, das scheinbar den Mut zusammen nimmt, bevor sie ihr Bekenntnis in die Welt tragen. 

Was ist da los mit dem Mut???

IMG_20210829_105509_471[1].jpgGeht es hier auch um die Überwindung von Angst hin zu Wachstum und Selbstwirksamkeit? Oder bietet rechte Ideologie hier ein Ventil, Angst aushaltbar zu machen, verbunden mit dem Versprechen und der Hoffnung sie gar auflösen zu können.

Ich möchte es „Mut-Missbrauch“ nennen. Das kurze Glück des Mutes, das am Ende für Intoleranz gegenüber dem Fremden, Antifeminismus und Unfreiheit sorgen könnte.

Admin - 23:53 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

15.06.2024

Dialog mit der Schönheit

rollstuhl.jpgDialog mit der Schönheit
Ich:  Dass ich dich hier treffe, hätte ich nicht erwartet. Hier riecht es nach Armut, Mensch und altem Mittagessen.

Schönheit: Ich bin schon die ganze Zeit hier, du hast mich nicht gesehen.

Ich: Was willst du hier. Schau dich doch um, wo du hier bist. Der lange Flur, in den kein Tageslicht fällt. Die gelbe Farbe der Wände ist verblasst, der Putz abgekratzt von Fingernägeln, die Halt suchen. Die eilig vorbei geschobenen Betten haben ihre Spuren hinterlassen. Kein Ort, wo ich dich vermuten würde.

Schönheit: Wenn du mich bisher nicht sehen konntest, lieg es nicht an mir.

Ich: Ach, jetzt bin ich schuld? Du machst hier deinen Job nicht, du Schönheit.  Du sitzt hier faul rum. Mach doch die Augen auf und schau, wo du hier bist. Der Speisesaal ist eine Ansammlung von Tischen und Stühlen, auf denen Menschen vor ich hindösen. Die Essensmahlzeiten sind  die einzige Taktung des Tages. Bunte Plastikbecher und abwaschbare Tischsets sorgen für bruchsichere Keimfreiheit.
Deine Tätigkeit erschöpft sich in den Pastellfarben der Plastikbecher, die versuchen der Tristesse die Stirn zu bieten.

Schönheit: Siehst du die Tochter, die mit ihrer Mutter den langen Flur auf und ab geht?

Ich: Ja, natürlich sehe ich sie. Sie kommt jeden Tag. Ihre Mutter hängt an ihrem Arm, wie eine zu schwer gewordene Einkaufstasche. Sie reden kein Wort miteinander.

Schönheit: Sie reden nicht. Es gibt keine Worte mehr zwischen ihnen. Ihre Sprache ist das Leuchten in den Augen der alten Frau, wenn sie in der scheinbar unendlichen Warteschlange des Tages die Orientierung verloren hat und dann, irgendwann den Schritt ihrer Tochter auf dem Flur erkennt.

Ich: Willst du mir sagen, dass das Schönheit ist?

Schönheit: Du bist wütend auf mich!

Ich: Du sitzt hier rum, erzählst mit was von leuchtenden Augen und davon, dass ich dich nicht sehen kann. Du hast  mich verlassen!!!!

Schönheit: Ich habe dich nie verlassen, ich war immer da.

Ich: So ein Quatsch. Sieh mich an. Was siehst du? Schönheit?
Frauemkopf2.jpgSchönheit: Ich bin ein Geschenk, du musstest nichts für mich tun. Hand in Hand liefen wir durch dein Leben. Ich öffnete Türen und Herzen für dich. Der Raum strahlte, wenn du ihn betratst. Du hast dich auf mich verlassen, du konntest dich auf mich verlassen. Damals war es leicht für dich, mich zu sehen.
Dann begann die Zeit, in der die Angst in dir  aufstieg, ich könne dir abhanden kommen. Du begannst an meiner Kraft zu zweifeln. Du gabst viel Geld für Kleidung und Kosmetik aus. Ich blieb. Du hast nicht verstanden, dass sowieso geblieben wäre.
 
Ich: Doch irgendwann hast du mich verlassen. Wo warst du in dem letzten Monate, als die Welt über mir zusammenbrach. Als ich mich verloren, hässlich und hilflos fühlte. Als die Wut meine einzige Vertraute war?

Schönheit: Ich war da. Du hast mir viel abverlangt. Ich habe dir über die Wange gestreichelt, ich habe dir die Energie gegeben, dich morgens anzuziehen, auch wenn die Arme und Beine, wie aus Blei schienen. Ich habe dafür gesorgt, dass du die Kraft sammeln konntest, um allein auf die Toilette gehen zu können und habe dir die Freude geschenkt, wenn du deinen Duft an dir riechen konntest. Ich habe dafür gesorgt, dass dein Rücken grade wurde, wenn am Fußende deines Bettes über dich bestimmt wurde. Ich habe deinen Blick und deine Stimme klar und fest sein lassen. Ich habe für deine Würde gesorgt.

Eine Tür fällt laut ins Schloss. Ein Windzug hatte ein Fenster geöffnet. Sonnenlicht bricht sich in den bunten Plastikbechern, die wie aufgereihte Lämpchen leuchten.
Sonnenlicht wärmt mein Gesicht.

Admin - 21:44 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

06.02.2024

Ein Lächeln und “sozailes Grunzen”

Lcheln2.jpg„Ich habe gerade eine kleine, private Studie laufen“ sagte ich und schaute in drei erstaunte Augenpaare. “Was für`ne Studie”, fragten sie?
„Jedes Mal, wenn ich den Vorraum einer Bank betrete, dort wo die Geldautomaten stehen, sage ich freundlich „guten Morgen“ oder je nach Tageszeit auch ein einfaches „Hallo“. Natürlich nur, wenn auch Menschen im Raum sind. In 8 von 10 Fällen bleibt mein Gruß unbeantwortet im Raum stehen.
Die größte Chance auf eine Antwort habe ich bei den Menschen, die aufgereiht in der Schlange stehen und meist ungeduldig auf das Vorrücken zum Automaten warten.
Manchmal ernte ich von ihnen einen kurzen Blick, ein Aufschauen oder Nicken. Die meisten Menschen reagieren gar nicht. Beim Verlassen des Vorraums passiert dasselbe Phänomen- kaum einer grüßt, kaum einer keiner schaut hoch.“
Jetzt mag es dem besonders konzentrierten Umgang mit dem eigenen Geld geschuldet sein, dass die Menschen fokussiert am Eingabefeld des Automaten hantieren und nicht in der Lage sind, ein soziales Miteinander aufrecht zu erhalten.
Oder es mag die unbeeinflussbare, unbehagliche  Nähe zu fremden Menschen sein, vor der man sich über die Verstummung zu retten versucht. Ähnlich des Betretens eines Aufzuges, in dem Menschen zu Werbeaufstellern der eigenen Gattung werden, sobald sie die sticke Luft des kleinen Raumes im Fahrstuhl einatmen.
Warum verstummen wir im öffentlichen Raum? War das schon immer so, oder ist es Ausdruck  unserer Individualität „ich grüße nur, wenn es mir passt“? Ist es ein Abgesang an das „soziale Grunzen“?
Soziales Grunzen, so animalisch es klingen mag, so unverzichtbar ist es in der Kommunikation bei Mensch und Tier. Es ist ein Gesprächsverstärker, den wir täglich unzählige Male anwenden. Ein »Mhm« oder ein Lächeln, ein „Moin“ oder ein „Hallo“ signalisiert gehört- und wahrgenommen worden zu sein.

Die kleine „Banken-Vorraum Studie“ ist sicher nicht repräsentativ. Doch gefühlt wirft sie ein Schlaglicht auf unser Miteinander, in dem wir scheinbar verlernt haben, auch einem fremden Gegenüber signalisieren zu können „ich habe dich gesehen, ich schenke dir ein Lächeln oder ein Nicken und wünsche dir einen guten Tag“.
„Friede beginnt mit einem Lächeln.
Lächle fünf Mal am Tag einem Menschen zu, dem du gar nicht zulächeln willst:
Tue es um des Friedens willen.“
Mutter Teresa

Admin - 06:43 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

18.01.2024

Blitz-Eis und die Spur von Gold

Frauen Figur.jpgEs ist 1:00 Uhr in der Nacht. Im Kopf ein Karussell. Gedanken kreisen, bleiben an der Decke hängen, fallen zurück, werden erneut gedacht. Manche kommen voran, andere bleiben im Gestrüpp der Nacht hängen, enden blind,  tragen keine Früchte. Draußen ist es kalt. Minusgrade. Blitz-Eis wird  erwartet.
Ihre Gedanken stehen nicht still. Ihr Körper wärmt sich unter dicken Decken. Eine wohlige kleine Bärenhöhle erwartet sie jeden Abend, wenn sie sich unter ihren Bettdecken für die nächsten Stunden begraben lässt. Die Welt bleibt draußen.
Heute Nacht lässt sich die Welt nicht abschütteln. Die Gedanken kommen nicht zur Ruhe. Die letzten 46 Jahre ziehen an ihr vorbei.
Nach dem Abitur hatte sie eher aus fehlender Alternative, als aus Begeisterung zum ersten Mal den weißen „Schwestern-Kittel“ aus dem Spint der Personal Umkleide der Klinik herusgeholt, um ihn in den nächsten Jahren als Berufskleidung nicht mehr abzulegen. Es folgten noch viele Jahre  in der grün-blauen Funktionskleidung der Intensivstation.
Menschen in Ausnahmesituationen, ihre Krankheit, ihr Tod, ihre Angst und ihr Glück nach überstandener Krise zogen in ihr Leben ein. Abenteuer, Freundschaften, Partys, Liebe und Freiheit ebenso.
Sommersprossig, mit langen Haaren und schlanker Taille wurde sie zur Freundin, Frau, Mutter, Feministin, Gefährtin, Therapeutin, Leitung. Der helfende Beruf blieb an ihr kleben. Auch als sie den „Schwestern-Kittel“ zurückließ und Platz nahm, auf den Sofas der Republick, die vom Leben ihrer Besitzer gezeichnet waren. Nun gehörten Drogen, Alkohol, verzweifelte Mütter und Väter, gefährdete Jungs  und Mädchen, Anträge zum Lebensunterhalt, Trauernde und Jugendliche, auf der Suche nach sich selbst, zu ihrem beruflichen Leben. Die Haare wurden kürzer, die Taille fülliger und das Leben um Erfahrungen und Begegnungen reicher.
Ähnlich eines Katalysators, der chemische Prozesse in Gang bringt, sich selbst dabei aber chemisch nicht verändert, tauchte sie ein, in das Leben der anderen. Immer auf der Suche nach der Spur von Gold und dem nächsten Schritt, der eine positive Veränderung verheißen würde.
Die Begegnungen mit vielen unterschiedlichen Menschen,  deren Lebensentwürfen, oft so fern ihres eigenen, den Abgründen und der Kraft der Befreiung aus scheinbar unveränderbaren Strukturen, ließen sie nicht unberührt. Sie hatte pralle Leben erlebt, ohne sie selbst gelebt haben zu müssen. Sie machte ihren Frieden damit, das geworden zu sein, was sie wurde.
Morgen würde sie zum letzten Mal den Schlüssel im Schloss der Bürotür drehen, um aufzuschließen. Es würden Reden geredet werden, Umarmungen verteilt werden, Abschiedsgeschenke entgegengenommen werde und gutes Essen mit einem Schluck Sekt hinuntergespült werden. Und es wird Blitz Eis geben, bevor das Tauwetter einsetzen wird.

Admin - 04:11 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

27.10.2023

#Demokratie-geht-mich-was-an

Logo Hand.jpgDemokratie geht mich was an

Die Welt scheint sich schneller und schneller zu drehen. Krieg, Flucht, Umweltzerstörung, das Denken im ewigen Wachstum und der Versuch zunehmend vieler Menschen, im rechten Gedankengut Halt zu finden, sind Zeichen unserer Zeit. Wir hören und lesen, die Demokratie sei in Gefahr.

All die drängenden und scheinbar unlösbaren Probleme können den Eindruck entstehen lassen, dass „die da oben“ (wer auch immer die da oben sind) doch machen was sie wollen und „wir hier unten“, keinen Einfluss darauf haben.
In der Psychologie gibt es für dieses Phänomen den Ausdruck der „gelernten Hilflosigkeit“.  Es bedeutet, dass ich selbst dann, wenn ich Einfluss nehmen könnte, es nicht tue, weil ich es entweder nicht mehr kann, oder nie gelernt habe, oder weil ich keine Motivation dazu habe.

Hier sind wir gefragt. Wir sind gefragt selbst Einfluss zu nehmen und Kinder und Jugendliche sowohl zu befähigen, als auch zu motivieren, sich mit ihren Ideen, Wünschen und Forderungen einzubringen. Wir sind gefragt, sie Demokratie zu lehren.
Demokratie zu lehren heist dabei nicht allein Wissen über Demokratie zu vermitteln. Es geht viel mehr um die Vermittlung von Fähigkeiten wie z.B. Mehrheiten schaffen zu können, auf Minderheiten achten- und Kompromisse schließen zu können, Projekte zu übernehmen und sie zu verantworten.
Das passiert immer dann, wenn Kinder und Jugendliche erleben, Erwachsene ebenso, dass sich etwas durch ihr Handeln verändert und im besten Fall verbessert.
Das entscheidende Wort hierfür ist die „Selbstwirksamkeit“. Selbstwirksamkeit zu erleben verhindert erlernte Hilflosigkeit und lässt Partizipation und Demokratie entstehen.
Doch wo in unserem Alltag, in der Schule, in der Familie sind Räume, in denen Kinder und Jugendliche Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können?
Es bedarf Räume, in denen  Beziehung stattfindet. Demokratie lehren und lernen braucht Beziehung. Braucht ein Gegenüber, das sich auseinandersetzt, zur Diskussion anregt, ermuntert Projekte zu übernehmen und über den eigenen Schatten zu springen, etwas zu wagen. Partizipation muss erlernt und begleitet werden.
Es gilt, die Stimme von jungen Menschen hörbar zu machen, ihre Selbstwirksamkeit zu stärken und Lebensräume zu schaffen, die Kindern und Jugendlichen zeigen, dass sie Gestalter: innen der Gesellschaft sind.
Demokratie

Admin - 21:32 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

01.09.2023

#Gender-Gaps sind weiblich

Mohnblume.jpgIch möchte euch Claudia vorstellen.
Claudia könnte auch ich sein, oder vielleicht auch du, nur einige Jahre jünger oder eine kleine Portion naiver. Sie hat so ziemlich alle Gender-Gap Fallen in ihrem Leben mitgenommen, die eine Frau mitnehmen kann. Ihr werdet sagen, ziemlich viele Gaps in einem Leben. Doch es ist eine Frauenbiographie, die täglich von Frauen gelebt wird, vielleicht auch von wenigen Männern. Entstanden aus einer Mischung von individuellen Wünschen und Entscheidungen, strukturellen Bedingungen und Notwendigkeiten, traditionellen Ideologien und einem politisch konservativen Familienbild, was steuerlich gefördert wird.
Wieviel Claudia ist in dir?
Claudia  ist 1968 in Friedberg geboren. Als älteste Tochter wuchs sie in der Vorstellung auf, dass für Mädchen und Frauen alles möglich ist.
Sie macht 1987 Abitur und begann 1987 ein Studium der Diplom Pädagogik.
1. Falle
„Gender Pay Gap“ Sozialer Beruf, eine Berufswahl mit durchschnittlich geringerem  Bruttoverdienst.
1989 lernt sie Christian kennen. Christian ist 3 Jahre älter als Claudia, er studiert Informatik und beendet 1990 sein Studium und hat seine erste Anstellung in Vollzeit. Claudia ist sehr verliebt.
1991 schließt Claudia kurz vor der Geburt ihres ersten Kindes ihr Studium ab und bleibt 3 Jahre zuhause bei Ihrem Kind, bis eine Kinderbetreuung gefunden ist.
1994 arbeitet sie in halber Stelle in einer Beratungsstelle in Gießen.
1996 bekommt sie ihr 2. Kind und bleibt 6 Jahre zuhause und in dieser Zeit bekommt sie
1998 ihr 3. Kind.
Christian und Claudia möchten, dass ihre Kinder behütete aufwachsen. Durch das Ehegattensplitting und Christians Berufsaufstieg ist das Familienmodell für sie möglich.
Christian und Claudia sorgen nicht für eine finanzielle Kompensation für Claudias Altersversorgung.
2. Falle
„Gender Lifetime Gap“ Lebenszeit-Falle.
Frauen haben ein 49 % geringeres Gesamterwerbseinkommen als Männer (2016)
2002 arbeitet Claudia wieder halbtags in einer Betreuungseinrichtung. Claudia ist überqualifiziert, doch hier sind die Arbeitszeiten familienfreundlich.
Noch einmal die 1. Falle „Gender Pay Gap“
2003 Trennung von Christian. Ihre Kinder sind 12, 7 und 5 Jahre alt
Die Kinder leben bei Claudia, bei Christian sind sie alle 2 Wochen am Wochenende.
Claudia arbeitet zunächst halbtags weiter,
3. Falle
„Scheidung“,  ohne eigene Alterssicherungsleistung, das Modell der Altersversorgung durch den Mann scheitert, auch wenn es bei der Scheidung einen Versorgungsausgleich gibt.
2003 Claudia arbeitet 75 %ist, Vollzeit ist für sie als alleinerziehende Mutter schwierig mit der Familie zu vereinbaren
4. Falle
„alleinerziehend“,
2008 arbeitet Claudia in Vollzeit, ihr jüngstes Kind ist 10 Jahre alt.
2018 wird Claudias Vater schwer krank. Claudia unterstützt ihre Mutter in der Pflege, reduziert ihre Arbeitszeit auf 75 %. 
5. Falle
„Gender Care Gap“,  Sorgearbeit-Falle,
Frauen arbeiten ca. 52% mehr unbezahlte Sorgearbeit als Männer.
2020 arbeitet Claudia wieder Vollzeit.
Heute, 2023 ist Claudia 55 Jahre alt, sie hat 23 Jahre in bezahlter Tätigkeit gearbeitete, davon 10 Jahre in Teilzeit, 13 Jahre Vollzeit. Sie hat noch 12 Jahre, um bis zu ihrer Rente mit 67 Jahren noch eigene Alterssicherunsleistung anzusammeln. Sie hat dann 35 Jahre gearbeitet, davon max. 25 Jahre in Vollzeit in einem Beruf, mit einem im Vergleich zu Christian eher geringeren Bruttoverdienst.
Christian ist heute 58 Jahre alt, er hat 33 Jahre in Vollzeit gearbeitet und hat bis zur Rente noch 9 Einzahlungsjahre, er wird dann 42 Jahre in Vollzeit gearbeitet haben.
#genderGaps

Admin - 19:46 @ Lori Journal | Kommentar hinzufügen

12.08.2023

Francis Bacon “Klug fragen können ist die halbe Weisheit”

 
177.jpg„Es gibt keine dummen Fragen, nur dumme Antworten“, sagte Herbert zu dem kleinen, vorpubertären Mädchen, das sich mehr darum bemühte unsichtbar zu sein, als Fragen zu stellen. Das kleine Mädchen war ich und Herbert war mein Patenonkel. Er wollte Mut machen Fragen zu stellen, Zusammenhänge verstehen zu wollen, sichtbar zu werden.
Ich liebte meinen Onkel. Er war anders als die anderen Erwachsenen, die ich kannte. Die Männer und Frauen aus unserer Straße schienen von Ernsthaftigkeit, Strenge und emsiger Geschäftigkeit geprägt zu sein. Herbert nicht. Herbert schillerte und etwas von seinem Schillerstaub fiel auch auf mich.
Einmal nahm er mich mit nach Italien. Mit seiner Frau und seinem Sohn ging es  auf die Reise. Kaum hatten wir die Alpen überwunden,  schob er das Schiebedach seines Autos  so weit wie möglich zurück, rieb seine beginnende Glatze mit stark riechender Kokosmilch Sonnencreme ein und verströmte einen damals finanzierenden Duft. Sonne, Wind und Freiheit wehte auf die Rückbank, trockneten die durchgeschwitzten Hemden und ließen in mir eine erste Ahnung von Leichtigkeit und Selbstbestimmung entstehen.
Herbert starb in den 80 Jahren an AIDS.
Doch zurück zu den klugen Fragen. Im Laufe der nächsten Jahre lernte ich, dass es sehr wohl, sehr dumme Fragen gibt. Z.B. „Warum hast du das gemacht?“ „Was hast du dir denn dabei gedacht?“ „Wer war das?“ „ Was soll das?“
Diese Fragen sind dann keine dummen Fragen mehr, wenn in ihnen das wirkliche Interesse des Fragenden am Tun, Denken oder  Handeln des Gegenübers steckt. Es sind dumme Fragen, wenn sie der Herstellung  von Macht, Hierarchie und einem Gefälle zwischen Fragendem und Befragten dienen und in eine Einbahnstraße aus Rechtfertigung, Verteidigung oder zur kompletten Verstummen des Befragten führen.
Ich lernte auch Fragen kennen, die was ganz anders bedeuten, als ihre Worte vorgeben. Wenn ich nachts auf leisen Sohlen und mit großen Bemühen keine Geräusche zu machen, endlich den Schlüssel in der Haustür drehte, stand meine Mutter im Nachthemd hinter der Tür und empfing mich mit der Frage „Weißt du eigentlich, wie spät es ist?“
Eine Frage, die die Sorge um ihre ausgeblieben Tochter beinhaltete und vielleicht auch den Ärger über durchgewachte Stunden zum Ausdruck brachte, aber sicherlich nicht das Interesse nach der tatsächlichen Uhrzeit enthielt.
Ich machte das Fragen zum Beruf und lernte die hohe Kunst der klugen Frage. Ich lernte Fragen, Techniken und Haltungen, die es mit Zustimmung des Gegenübers erlaubten, zu inneren Prozessen Zugang zu bekommen.
Ich lernte, dass meine Haltung, die Melodie der Stimme beim Fragen über Verstehen und nicht verstanden werden entscheiden kann.
Ich lernte, dass auch kleine Worte wie „immer“ oder „nie“ eine Beziehung vergiften können.
Ich lernte, dass schon der Austausch eines einzigen Wortes in der Frage von „Warum“ zu „Wozu“, dem Gespräch eine andere Richtung geben kann.
Ich lernte eine Fülle von Fragen, die behutsam und mit größtem Respekt vor der Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung des Gegenübers gestellt, an bisher Ungedachtes, Ungefühltes und Unaussprechliches führen können und den Weg zu Veränderungen und Lösungen einleiten können.
Fragen wie,
„Wieviel Energie bist du bereit auf einer Skala von 1-10 zu investieren, um…zu erreichen?
„ Was sind die Kleinigkeiten, die Sie im Alltag tun, dass sie nicht aufgegeben haben?“
„Wann und wann nicht haben Sie den  „Rucksack der Probleme“ dabei?“
„Wer aus deiner Familie wäre am meisten überrascht, wenn du anfangen würdest für die Schule zu lernen?“
„Was würde es schlimmer machen und  was müsstest du dafür tun, das…“.  Eine Frage mit paradoxer Note, die häufig eine starke Veränderungswirkung entfaltet.
Eine Königin unter den Fragen ist die sogenannte Wunderfrage. Eine zukunftsorientierte, hypothetische Frage, die unser Gehirn in eine andere „Laufrichtung“ bringen kann.
„Angenommen, irgendwann in den kommenden Tagen geschieht über Nacht ein Wunder, und das Problem ist verschwunden. Woran würdest du das merken? Was würdest du tun, was würde deine Frau/dein Mann  tun? Was würdest du mit der freien Energie machen?

Neben der Wunderfrage, gibt es noch eine zweite Königin der Fragen. Die  zirkuläre Frage. Sie ist meine eigentliche Favoritin. Sie ist für uns im Alltag sehr ungewöhnlich, da sie dazu auffordert, das eigene subjektive Bild über das Verhalten oder über die Beziehung der Gesprächsteilnehmer-innen während des Gespräches mitzuteilen.
“ Was glauben Sie, was denkt ihr Mann gerade, während Sie mir von…. berichten“? Oder „Paul, wenn deine Schwester versucht den Streit zwischen dir und deiner Mutter zu schlichten, dein Vater sich raushält, wie reagiert dann deine Mutter?
Es gibt noch eine Vielzahl von klugen Fragen, die ganze Bücherschränke füllen. Geschrieben von Menschen, die an Fragen und Techniken gefeilt haben und den Versuch unternehmen, mit immer präziserem Besteckt, das Problem, den Prozess und die Lösung freilegen zu können.

Mich interessieren Fragen über das Funktionieren von Dynamiken in Beziehungen, ob es Muster gibt, denen wir zu folgen scheinen, wie das innere Skript vom eigenen Leben entsteht. Fragen, die Erkenntnisse liefern, verstehen helfen, wachsen lassen oder Mitgefühl zeigen. Fragen, die helfen, die Matrix der Menschen und ihrer Beziehungen verstehen zu können. Ob sie auf diesem Weg zur Weisheit finden, mag ich nicht entscheiden. Auch wenn es nur die halbe wäre.

Annette Meinecke
Quelle: Hans-Georg Schröder “Vorgedach ubd Nachgedacht” Eine Anthologie, Aphorismen und was sie für uns bedeuten
Foto:  Halde Haniel

Admin - 09:13 @ Lori Journal


Über mich
Sozialpädagogin
Systemische Beraterin und Systemische Kinder-und Jugendtherapeutin


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