In meinem Blog "Annettes-Schreibzeug" erzähle ich Geschichten von Menschen, von Ereignissen und sammle besondere Momente.
Ich freue mich, euch Lori vorstellen zu dürfen. Sie ist als Gast ins Schreibzeug eingezogen und wird uns im „Lori Journal“ an ihren Gedanken teilhaben
lassen.
21.04.2024
Foto: Steinskulpturen Musem Bad Münster am Stein
Alles gut
„Da sitzt eine Puppe im Auto“, sagte er und blickte seine Frau mit einem leicht verschwörerischen Gesichtsausdruck an. „Wie, eine Puppe? “ antwortete sie fragend.
Es war ihr nicht entgangen, dass seine Aufmerksamkeit schon länger nicht mehr bei ihr war, sondern an anderer Stelle zu kleben schien. Sie hatte vorgezogen, es zu ignorieren, da noch so viele Worte in ihrem Kopf darauf warteten, das Licht der Welt erblicken zu dürfen.
„Ja, in dem Auto gegenüber sitzt eine Frau ganz allein. Sie sitzt auf dem Beifahrersitz und bewegt sich seit einer Stunde nicht. Sie schaut regungslos aus der Frontscheibe, wie ein Puppe“, wiederholte der Mann. Wenig um Zurückhaltung bemüht schaute seine Frau nun auch in die Richtung. Ihre Augen brauchten nicht lange zu suchen, um das Auto und die Frau zu entdecken. Ein weißer Tesla. Weiße Autositzbezüge, eine weiß gekleidete jungen Frau auf dem Beifahrersitz. Ihre feuerroten langen Haare waren der einzige Farbtupfer im Ensemble. Das Auto stand so allein, wie die Frau in ihm zu sein schien. Keine weiteren Autos, keine Menschen, nichts als Schotter und Wiese. Es wirkte, wie ein Gemälde. Der Stillstand festgehalten in Öl. Eine regungslose Frau auf dem Beifahrersitz eines weißen Autos. Umgeben vom Nichts aus Schotter und Wiese. In die Landschaft gestellt und für immer vergessen.
„Vielleicht ist sie tot?“ Die Worte fielen auf den kleinen Camping-Tisch in Nussbaum-Imitat Design, den sie vor einer Stunde auf dem Rasen des Campingplatzes aufgestellt hatten. An ihm wollten sie ihren letzten Ferientag ausklingen lassen. Irgendwo auf einem Campingplatz im Sauerland. Es war Ende März, das Wetter war trüb und kalt geworden. Kein Wetter das Campingplätze mit Leben füllt. Sie hatten geglaubt, allein auf dem Campingplatz zu sein. Nun war da noch diese Frau.
„Nein tot ist sie nicht. Das glaube ich nicht. Vielleicht ruht sie sich nur kurz aus. Sie hat ja keinerlei Campingzeug dabei“ gab der Mann zu bedenken. „Doch nicht abends um halb acht hier im Nirgendwo. Bestimmt hat sie Streit mit ihrem Mann, ist nach Vorwürfen, Türenknallen und Hilflosigkeit hier gelandet, um nachzudenken, wie es für sie weitergeht. Ob sie zurück kann. Ob sie zurück möchte. Vielleicht hat ihr Mann sie auch rausgeworfen und sie steht hier in ihrem Tesla im Sauerland am Abgrund ihres Lebens“, resümierte seine Frau. Mit einem Kopfschütteln wehrte er ab. „Was du immer denkst“, antwortete er. Als sie die nächste Runde mit Erklärungen starten wollte, sprang er auf. „Ich geh da jetzt hin“. „Ja, das ist gut, du hast Mut, das finde ich gut“ pflichtete sie ihm bei.
Er stand auf, überquerte in einem großen Bogen die Schotterstraße und ging in die Richtung des parkenden Autos. Als seine Spur unmissverständlich Kurs auf die weißgekleidete Frau mit roten Haaren nahm, öffnete sich die Autotür. „Alles gut“ war zu hören“. Die Frau im Auto sprach ohne auszusteigen, noch bevor er sie erreicht hatte. Er ging näher heran und fragte zwischen Sorge und Freundlichkeit „brauchen Sie Hilfe?“ „Alles gut“, kam es wieder zurück“. „Wenn Sie mögen, können Sie gern zu uns rüber kommen“, bot er an. „Alles gut“ war wieder die Antwort. Mit einem Nicken und einem schmalen Lächeln verabschiedet er sich. Die Autotür klappte mit sonorem Ton wieder zu. Die Frau schaute wieder regungslos aus dem Fenster.
Seine Frau wartete mit gerecktem Hals auf ihn. „Und, was ist los, was hat sie gesagt?“ stieß es aus ihr hervor. „Alles gut“…..antwortete er.
Am frühen Morgen war der Platz, an dem die Frau mit den roten Haaren und dem weißen Auto gestanden hatte, leer.
Admin - 10:49 @ | Kommentar hinzufügen
Über mich
Sozialpädagogin
Systemische Beraterin und Systemische Kinder-und Jugendtherapeutin
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