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15.09.2024, 18:58

Veröffentlichung in "beziehungsweise weiterdenken"

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25.07.2024

Eine Freundin, ein Buch, eine Liebe

J und Mdchen.jpgIn meinem Alter beginnt es schleichend, dass Menschen, die 35 Jahre und mehr das Leben mit mir teilten, sterben.
So auch eine Freundin. Die Erkrankung nahm ihr zunächst ihren Mut, dann ihre  Persönlichkeit und am Ende ihre Orientierung. Was lange blieb war ihre Erinnerung an Bücher, die sie gelesen- und die in ihr Platz genommen hatten. Die Geschichten lebten in ihr weiter, auch wenn ihr Körper nicht mehr am Leben teilnahm.
Bei einem meiner letzten Besuche nahm sie alle Kraft zusammen, um mir von einem Buch zu erzählen, das sie wieder entdeckt habe. Ich müsse es unbedingt lesen. Doch sie konnte mir nicht mehr sagen, welches Buch sie meinte.
Am Abend vor ihren Tod, dessen Nähe schon zu spüren war, saß ich an ihrem Bett. Morphium hatte ihr einen friedlichen Schlaf geschenkt.
Ich saß da, konnte mich nicht trennen von ihr, doch das Bleiben war schwer. Ich schaute mich um und sah ein Buch. Ich hatte es zuvor hier nie liegen sehen. Es war schon leicht vergilbt, die Seiten hochgebogen vom Lesen.
„Kolonien der Liebe“ von Elke Heidenreich. Was für ein wundervoller Titel. Die Liebe als Kolonie in einem fremden, manchmal vielleicht sogar feindlichen Land. Liebe als Leuchtfeuer in düsteren Zeiten.
Ich schlug es auf und begann vorzulesen.

Ich las von einer Protagonistin, die ihre ersten pubertären Erfahrungen mit Rölfchen, Hansi  und „Eckes Edelkirsch“ machte. Es ging um Liebe, Freundschaft, Familie, James Dean und zwei Suiziden.  Eine schnörkellose  Beschreibung einer Mädchen-Jugend der 60-ziger Jahre im Ruhrgebiet.
Was für eine unwirkliche Situation. Ich saß am Bett meiner sterbenden Freundin und las ihr diese, eher unpassend wirkende Geschichte vor. 
 
Als ich das Buch zu klappte, um es zurückzulegen, fielen Zettel aus den Seiten heraus.
Es waren kleine Liebesbriefe. Der Verfasser dieser Briefe brachte darin seine ungestillte Sehnsucht auf ein baldiges Wiedersehen zum Ausdruck. In liebevollen Worten, die nur verliebte Menschen oder Dichter finden, wurde eine Liebe beschworen, die nie vergehen könne.

Meine Entdeckung beschämte mich, als hätte ich den schützenden Schleier von Jahrzenten weggerissen, der diese kleinen Zettel bisher vor fremden Augen bewahrt hatte.
Als ob ich es hätte rückgängig machen können, steckte ich alles wieder schnell zurück ins Buch.
Ich hielt inne, schaute meine Freundin an, die dem Tod so nahe war. Klein und zierlich lag sie in diesem viel zu groß gewordenem Bett. Ihr Atem war ruhig und regelmäßig, ihre Augen geschlossen. Der Körper schon nicht mehr ganz auf dieser Welt.
In die Stille hinein, mit leiser Stimme und Tränen in den Augen las ich ihr die kleinen Briefe vor,  „Kolonien der Liebe“.

“Kolonien der Liebe” Elke Heidenreich

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Über mich
Sozialpädagogin
Systemische Beraterin und Systemische Kinder-und Jugendtherapeutin


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