Blog Annettes Schreibzeug

In meinem Blog Annettes Schreibzeug   erzähle ich Geschichten von Menschen, von Ereignissen, sammle besondere Momente und nehme Bezug auf aktuelle Themen der Zeit. Ich freue mich, euch Lori vorstellen zu dürfen. Sie ist als Gast ins Schreibzeug eingezogen und wird uns hier auch an ihren Gedanken teilhaben lassen. In der Kategorie "aus der Schreibwerkstatt" findet ihr Texte aus dem kreativen und biographischen Schreiben in Zusammenarbeit mit der Schreibheimat  https://www.schreibheimat.de/

Neuigkeiten im Schreibzeug

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17.08.2025, 18:08

Welterklärer, verzweifelt gesucht?

Was passiert wenn 15 Bunt-Wörter mit 5 zufällig ausgewählten Zeitungsüberschriften zusammenzreffen? Ein Text über inneres Umsyling und Mythos. Ein Text aus der Schreibwerkstatt.   mehr


03.08.2025, 19:44

Joachim Meyerhoff und der unzerstörbare Kern der Ponys

Joachim Meyerhoff beschreibt in seinem Buch "Man kann auch in die Höhe fallen" eine kleine Szene, in der sich sture Ponnys ihre Würde und Unabhängigkeit bewaren. Vielleicht ein Konzept für scheinbar...   mehr




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04.08.2025

Joachim Meyerhoff und der unzerstörbare Kern der Ponys

Sand mit Tonne.jpgIch liebe Joachim Meyerhoff. Nicht wirklich den Mann aus Fleisch und Blut, neben dem ich jeden Morgen aufwachen möchte. Dazu wäre ich nicht stark genug, ihm sowohl die Stirn- als auch ein offenes Herz bieten zu können. Jedenfalls liebe ich den Joachim Meyerhoff, von dem er in seinen Geschichten erzählt. Ich glaube ihn zu kennen. Vieles von dem, was er schreibt kenne ich aus meiner Kindheit. Die Fotos, die er für die Buchcover benutzt, könnten aus vielen Fotoalben dieser Zeit sein. Auch aus meinem. Vielleicht begegnet er mir ja mal in Wien, Hamburg, Berlin oder Biebesheim. Dann bestünde wirklich die Gefahr, dass ich ihn begrüßen würde, wie jemanden, der mir sehr vertraut ist.
Doch genug von meiner Liebe zu Herrn Meyerhoff. Es kann alles schön so bleiben, wie es ist. Joachim Meyerhoff lebt glücklich und zufrieden mit Frau und Kindern und ich lebe glücklich und zufrieden mit meinem Mann. Muss sich nicht ändern.
Seine Bücher sind mir willkommene Unterbrechung und Bereicherung. Letzte Woche habe ich die Buchdeckel seines letzten Buches geschlossen „Man kann auch in die Höhe fallen“.
Als ich das Buch aus der Hand legte, hatte ich endlich ein „Role Model“ für meine kommenden 20 Jahre gefunden. Die 86 jährige Mutter von Herrn Meyerhoff. Wenn ich es schaffe in den nächsten 20 Jahren nur ansatzweise so zu sein und so zu leben wie die Mutter von Joachim Meyerhoff, dann könnte ich in Ruhe gehen. Dann hätte ich alles geschafft, was auf meinem Zettel steht. Doch jetzt genug von Familie Meyerhoff.
In seinem letzten Buch “Man kann auch in die Höhe fallen”, gibt es eine  Szene, die mich beschäftigt. Es ist die Szene, wo die Mutter mit ihren drei Jungs (der Vater ist bei Familienausflügen nie dabei) einen Ausflug ans Meer macht und sie dort ausreiten. Die Mutter ist im Gegensatz zu ihren Söhnen eine begnadete Reiterin (diesen Teil meines zukünftigen „Role Models“ muss ich leider ausklammern, da mich Pferde nicht interessieren). Ihre Söhne hingegen sitzen auf sturen Ponys, die schon ganz mürbe sind von den vielen Touristen, die Tag ein, Tag non ihnen am Strand entlang getragen werden. Trotz der Gerte, die sie bei den störrischen Ponys laut der Pferdeführerin benutzen sollen, machen die Ponys was sie wollen. Sie bleiben unbeeindruckt von den zischenden Hieben auf ihren Rücken. Sie „haben sich Schwielen wachsen lassen“, so beschreibt es Meyerhoff. Schwielen an den Stellen, wo die Gerte sie meist trifft. Schläge  können ihnen nichts mehr anhaben, sie spüren sie nicht mehr. Kein Aufbäumen, kein Abschütteln, kein Zucken. Doch wenn sie die  Wendemarke am Strand erreicht haben und zurück in ihren Stall können, dann werden aus den sturen, lahmen Ponys beflügelte Himmelspferde, die im Affen Galopp und unaufhaltsam nach Hause streben.
Was für ein Bild. Sich „Schwielen wachsen lassen“ um aushalten zu können, was nicht zu ändern erscheint? Bei sich bleiben und  innere Freiheit bewahren? Zu Beginn, so ganz ohne Schwielen schwieriges Konzept. Vielleicht haben die Ponys all die Jahre  versucht, es den Touristen und der Pferdeführerin recht zu machen. Sind getrabt, wenn es verlangt wurde, haben sich von Touristen ohne Verstand hin und her führen lassen, damit sie den Nachmittag am Stand in guter Erinnerung behalten, haben sich beschimpfen lassen, wenn sie klüger waren, als die Menschen, die auf ihnen saßen.
Bis zu dem Stadium zu kommen, wo die Schwielen die Schmerzen der Gertenhiebe nicht mehr durchlassen, ist sicher keine schöne Zeit, auch nicht für die Ponys. Doch sie haben nicht aufgegeben, haben nicht resigniert, sind  nicht stumpfsinnig geworden in dem Bewusstsein, nichts an ihrer Situation ändern zu können. Sie sind bei sich geblieben, haben sich ihre innere Freiheit bewahrt und kein Tourist und keine Gerte der Welt konnten ihren inneren Kern bezwingen. Sie haben aufgehört es allen recht zu machen, haben ignoriert, wenn sich wieder einmal ein Tourist auf ihnen abgezappelt hat, sind ihrer Spur treu geblieben. Sie sind in ihrem Tempo gegangen, egal wer, wann mit seiner Gerte  geschwungen hat und sie wurden zum Rennpferd, wenn es nach Hause ging. Egal ob mit oder ohne Reiter: in auf ihrem Rücken. Sie hatten nicht vergessen, dass ein Rennpferd in ihnen steckt.

Admin - 05:35:40 @ von Menschen | Kommentar hinzufügen

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